Die Rutschhemmungsklasse ist ein technischer, aber äußerst praxisrelevanter Wert in der Auswahl und Bewertung von Bodenbelägen. Insbesondere in Arbeitsbereichen, öffentlichen Gebäuden, Sanitärräumen, aber auch in privaten Wohnbereichen mit erhöhtem Nässeaufkommen spielt die Trittsicherheit eine zentrale Rolle für die Unfallverhütung. Die Klassifizierung der Rutschhemmung erfolgt in Deutschland nach genormten Prüfverfahren und ermöglicht es Planern, Architekten, Bauherren und Handwerkern, geeignete Materialien gezielt auszuwählen – je nach Nutzungssituation und gesetzlicher Anforderung. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Rutschhemmungsklassen aufgebaut sind, nach welchen Normen sie geprüft werden, welche Klassen es gibt und wie diese im Alltag und auf Baustellen konkret angewendet werden.
Was bedeutet „Rutschhemmungsklasse“?
Die Rutschhemmungsklasse beschreibt die Fähigkeit eines Bodenbelags, dem Wegrutschen entgegenzuwirken – also wie griffig oder gleitsicher eine Oberfläche unter bestimmten Bedingungen ist. Dabei werden zwei grundlegende Anwendungsfälle unterschieden:
mit Schuhwerk (DIN 51130):
z. B. in Arbeitsstätten, Fluren, Großküchen, Werkhallen
barfuß (DIN 51097):
z. B. in Duschen, Schwimmbädern, Umkleiden
Beurteilt wird jeweils, ab welchem Neigungswinkel ein Proband beim Begehen eines Prüfkörpers auf einer schrägen Ebene ins Rutschen kommt. Dieser Neigungswinkel entscheidet über die Einordnung in eine bestimmte Klasse.
Rutschhemmungsklassen nach DIN 51130 (mit Schuhen)
Die Norm DIN 51130 beschreibt ein Prüfverfahren für Bodenbeläge, die in Arbeits- oder Verkehrsbereichen mit festem Schuhwerk begangen werden. Dabei geht es um das Verhalten der Oberfläche bei Kontakt mit Gleitmitteln (z. B. Öl). Die Ergebnisse werden in den sogenannten R-Klassen angegeben.
Die fünf Rutschhemmungsklassen:
Klasse | Neigungswinkel | Rutschhemmung | Typische Einsatzbereiche |
---|---|---|---|
R9 | 6° – 10° | Gering | Büros, Wohnbereiche, Hotelzimmer |
R10 | >10° – 19° | Normal | Treppenhäuser, Küchen, Flure |
R11 | >19° – 27° | Erhöht | Werkstätten, Gewerbeküchen, Labore |
R12 | >27° – 35° | Hoch | Großküchen, Molkereien, Lebensmittelverarbeitung |
R13 | >35° | Sehr hoch | Schlachthäuser, Nassbereiche mit viel Öl/Fett |
Wichtig: Je höher die R-Klasse, desto rauer bzw. strukturierter ist die Oberfläche – dies kann sich auch auf die Reinigung und Pflege des Bodens auswirken.
Zusatzklassifikation: Verdrängungsraum V4 – V10
In Bereichen mit starkem Flüssigkeitseintrag (z. B. Öl, Fett) reicht die R-Klasse allein nicht aus. Hier kommt zusätzlich die sogenannte Verdrängungsraumklasse zum Einsatz. Sie beschreibt, wie viel Volumen ein Belag in der Lage ist, an Flüssigkeit „wegzuschieben“, um die Rutschhemmung zu erhalten.
Klasse | Verdrängungsvolumen |
---|---|
V4 | ≥ 4 cm³/dm² |
V6 | ≥ 6 cm³/dm² |
V8 | ≥ 8 cm³/dm² |
V10 | ≥ 10 cm³/dm² |
Diese Klassen sind insbesondere in Großküchen, Metzgereien und Produktionsstätten für Lebensmittel vorgeschrieben.
Rutschhemmungsklassen nach DIN 51097 (barfuß begehbar)
Die DIN 51097 beschreibt die Trittsicherheit in Nassbereichen, die barfuß betreten werden. Typische Anwendungen sind Schwimmbäder, Duschräume oder Wellnessbereiche. Die Prüfung erfolgt ebenfalls auf einer geneigten Fläche, jedoch mit Seifenlösung als Gleitmittel.
Die drei Barfuß-Klassen:
Klasse | Neigungswinkel | Rutschhemmung | Typische Einsatzbereiche |
---|---|---|---|
A | ≥ 12° | Gering | Umkleiden, Barfußgänge |
B | ≥ 18° | Mittel | Duschbereiche, Beckenumgänge |
C | ≥ 24° | Hoch | Treppen in Schwimmbecken, schräge Zugänge ins Becken |
Beispiel: Ein Bodenbelag in einer öffentlichen Dusche sollte mindestens der Klasse B entsprechen, bei einem abfallenden Zugang ins Becken oder auf einer Rutsche ist sogar C erforderlich.
Rechtliche Grundlagen und Vorschriften
Die Auswahl von Bodenbelägen nach Rutschhemmung ist nicht nur eine Frage der Sicherheit, sondern in vielen Fällen gesetzlich vorgeschrieben. Relevante Vorschriften und Institutionen sind:
- Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)
- DGUV Regel 108-003 (vormals BGR 181): Bodenbeläge in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen mit Rutschgefahr
- Bauordnungen der Länder
- Versicherungsrechtliche Anforderungen
Gerade bei gewerblichen oder öffentlich zugänglichen Gebäuden (z. B. Schulen, Krankenhäusern, Einkaufszentren) ist eine korrekte Rutschhemmungsklasse Pflicht.
Praxisbeispiele für die Auswahl geeigneter Klassen:
Bereich | Empfohlene Klasse |
---|---|
Privates Badezimmer mit Dusche | R10 / B |
Öffentliche Dusche / Spa | B – C |
Großküche | R12 + V4 oder höher |
Schulflur oder Krankenhausgang | R10 |
Industrielle Werkhalle mit Ölablagerung | R13 + V10 |
Supermarkteingang mit Nässe | R10 oder R11 |
Grenzen der Klassifizierung
Auch wenn Rutschhemmungsklassen ein wichtiger Standard sind, ersetzen sie nicht das Gesamtverständnis für Sicherheit:
- Pflege und Reinigung beeinflussen die Rutschhemmung maßgeblich. Ein R11-Belag verliert seine Wirkung, wenn Fettfilme oder Seifenreste nicht sachgerecht entfernt werden.
- Barfuß und Schuhbereiche können sich überschneiden – hier ist mit besonderer Sorgfalt zu planen.
- Oberflächenveränderungen durch Abnutzung können langfristig die geprüfte Rutschhemmung beeinträchtigen – regelmäßige Prüfung und Wartung ist daher wichtig.
Fazit: Die richtige Rutschhemmung ist planbar – und notwendig
Die Wahl der richtigen Rutschhemmungsklasse schützt nicht nur vor Unfällen, sondern erfüllt auch gesetzliche Vorgaben. Ob im gewerblichen Bereich, in öffentlichen Einrichtungen oder im privaten Wohnraum – die systematische Bewertung nach DIN 51130 und DIN 51097 schafft Klarheit und Sicherheit. Dabei gilt: Je höher die Beanspruchung durch Nässe, Öl oder barfüßiges Begehen, desto höher sollte die Klasse gewählt werden. In Kombination mit fachgerechter Verlegung, Pflege und Wartung bleibt die Trittsicherheit langfristig erhalten – für ein sicheres Gehen, Arbeiten und Leben.